In einer der letzten nextnews sind wir bereits auf das Thema „Schmutzige Elektroautos“ eingegangen. Hintergrund war ein Schreiben von 170 Wissenschaftlern, welche eine falsche Berechnung der CO2-Emissionen von Elektroautos monieren. Doch was hat es nun genau damit auf sich? Dafür haben wir in unserem Faktencheck selbst mit einem Wissenschaftler gesprochen, der die tatsächliche Situation mit uns in einem rund 14-minütigem Video erläutert. Wer die schriftliche Zusammenfassung lesen will, liest einfach unten weiter.
In unserem Interview von Stefan Möller mit Professor Martin Doppelbauer vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gehen wir speziell auf die Themen Grenzstrom und die tatsächliche Klimabilanz von Elektroautos ein. Die Anworten von Herr Doppelbauer zu unseren Fragen haben wir in den folgenden Absätzen zusammengetragen.
Wie schneidet der Verkehrssektor bisher ab?
Der Verkehrssektor als Ganzes hat in den letzten 30 Jahren seinen Emissionsausstoß kaum verringert. Das liegt daran, dass der Verbrauch der Fahrzeuge zwar um ein Drittel zurückging, gleichzeitig aber das Verkehrsaufkommen um 50 Prozent zugenommen hat – am Ende also ein Nullsummenspiel. Nimmt man jedoch die Effizienz pro PKW als Maßstab, dann ist der Emissionsausstoß pro Jahr um ca. ein Prozent gesunken. Das ist aber bei Weitem nicht genug, weshalb die Elektromobilität die einzige, massentaugliche Alternative zum Verbrennungsmotor ist.
Welchen Beitrag hat der elektrische Antrieb bisher geleistet?
Elektrische Antriebe und die Batterien sind ja die Schlüsselkomponenten für den Erfolg der Elektromobilität. Beim Elektroantrieb ist die Überlegenheit offensichtlich, denn er ist weitaus effizienter, durchzugsstärker, vibrationsärmer und leiser als ein Verbrennungsmotor. Das große Problem bestand bisher nur darin, die entsprechende Energie mitzunehmen – in Form von Akkus, welche den Elektromotor über eine lange Distanz mit Strom speisen. Und genau dort gab es in letzter Zeit enorme Entwicklungsfortschritte. Nachdem in den letzten zehn Jahren die Energiedichte von Akkus etwa verdoppelt werden konnte, wäre eine erneute Verdoppelung in den nächsten zehn Jahren durchaus realistisch – Stichwort Festkörperbatterien. Damit wird auch die Verbreitung und damit der Beitrag zur Reduktion des Emissionsausstoßes rasant steigen.
Ist die CO2-Bilanz von Elektrofahrzeugen fehlerhaft berechnet?
Man muss zunächst festhalten, dass der Strombedarf von Elektroautos bisher noch recht überschaubar ist und deutlich unter dem produzierten Grünstrom liegt. Selbst für den theoretischen Fall, dass man alle Verbrennerautos in Deutschland augenblicklich durch E-Autos ersetzt, würde der Gesamtstrombedarf um nur 20 bis 25 Prozent steigern. Bis Elektroautos die absolute Mehrheit im Straßenverkehr darstellen, können noch gut 25 Jahre vergehen. Erst dann muss man diesen Strombedarf auch tatsächlich für Elektroautos aufbringen. Eine Steigerung der lieferbaren Strommenge um nur ein Prozent pro Jahr – optimalerweise mit grünem Strom – würde den Bedarf aller Elektroautos decken und dabei auch die CO2-Bilanz positiv beeinflussen.
Was passiert, wenn ich ein Elektroauto an das Stromnetz anschließe?
Grundsätzlich ist es irrelevant, ob am Stromnetz ein Elektroauto, ein Computer oder ein Ofen angeschlossen wird. Um das Netz zu stabilisieren, halten sich die Betreiber aber an Pläne, welche den Verbrauch anhand bisheriger Daten prognostizieren. Natürlich kann es auch mal passieren, dass übermäßig viele Verbraucher ans Netz angeschlossen oder von diesem abgetrennt werden, was die Frequenz beeinflusst. In solchen Fällen gibt es eine Reihe an Gegenmaßnahmen wie etwa die Einbindung von Wassekraftwerken, Windkraftanlagen oder Batterien, unter Umständen auch Kohlekraftwerke. Fakt ist aber, dass man einen einelnen Verbraucher keiner speziellen Energiequelle zuordnen kann. Das ist technisch völlig unsinnig.
Ist das Konzept des Grenzstroms ein Denkfehler?
Der Gedanke hinter dieser Idee ist wohl, dass Elektroautos, da sie relativ neu hinzugekommen sind, auch die alleinige Ursache für den erhöhten Stromverbrauch sind, der dann ausschließlich aus Kohlestrom bedient wird. Aber wenn man fair ist, dann muss man alle neuen Verbraucher mit dieser Logik betrachten, ein neuer Fernseher oder eine neue Wärmepumpe wäre demnach genauso zu bewerten. Geht man noch weiter, stellt man fest: Jeder Verbraucher, der heute am Stromnetz liegt, ist irgendwann einmal neu ans Netz gegangen. Das zeigt bereits, dass dieser Grundgedanke des Grenzstroms wenig Sinn ergibt. Vielmehr könnte man damit jeden beliebigen Stromverbraucher als Sündenbock darstellen. Und für Verfechter des Verbrenners ist das eben das Elektroauto.
Werden wir auch in Zukunft genügend Grünstrom für Elektroautos haben?
Nach jetzigem Stand werden wir in Zukunft definitiv genügend Grünstrom für Elektroautos haben. Elektroautos können den grünen Strom künftig sogar unterstützen. Eines der Probleme von ernerbaren Energien ist ja die Fluktuation, was eine Speicherung und Rückspeisung für eine optimale Ausnutzung zwingend notwendig macht. Das Konzept der Stromversorgung durch die Autobatterie (V2G) sei an dieser Stelle genannt. Es wäre aber schon zweckdienlich, wenn Elektroautos in Abhängigkeit von der Stromproduktion geladen werden. So könnte man sein Auto zum Beispiel am Abend zum Aufladen anstecken und es genau dann aufladen lassen, wenn gerade viel Wind bläst und die Windräder antreibt. Solange das Auto am nächsten Morgen bis zur nächsten Nutzung aufgeladen ist, hat der Nutzer dadurch auch keinen Nachteil. Ein weiteres Beispiel ist der Zusammenschluss von Batterien zu Pools, welche zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen können.
Wieviel Prozent der Wissenschaftler teilen die Idee des Grenzstroms?
Es ist nicht wirklich vorstellbar, wie jemand, der sich wissenschaftlich mit dem Thema Energie beschäftigt, diese Ansicht teilen kann. Man kann als Fazit festhalten, dass jede Anwendung, welche von der Verbrennung fossiler Energieträger auf die Nutzung elektrischer Energie umstellt, einen Gewinn für unsere Umwelt bedeutet.