Noch im November hatte sich BMW mit der „Power of Choice“-Strategie alle Optionen in Sachen Auto offen gehalten. Jetzt justiert der Autobauer die Aktivitäten neu – eine flexible Plattform, auf der wahlweise Benziner, Diesel, Hybrid oder reines Elektroauto unter identischer Hülle geben kann, wird soft abgeändert.
BMW-CEO Oliver Zipse geht nun konsequenter und schneller in Richtung batterieelektrische Antriebe. Als nächste Modelle kommen der BMW iX und der BMW i4 – letzterer sogar drei Monate früher als ursprünglich vorgesehen. Bis 2023 will BMW ein Dutzend reine Elektroauto-Modelle anbieten, darunter BMW X1, 5er, 7er und weitere Minis.
Und ab 2025 will BMW dann mit einer „Neuen Klasse“ an Fahrzeugen durchstarten, mit neuer Software, neuem Antrieb und neuen Batterien. Außerdem hat sich BMW ein neues Nachhaltigkeits-Ziel über den gesamten Lebenszyklus gesetzt: „Wer die knappen Ressourcen unserer Erde für sein Geschäftsmodell nutzen will, braucht dafür in Zukunft gute Gründe. …Das grünste Elektroauto der Welt wird ein BMW sein“.
Auch die Verkaufsziele wurden nach oben gesetzt. Bislang ging BMW von 30 Prozent reinem E-Auto-Anteil in 2030 aus – nun sollen es 50 Prozent werden. Die Marke Mini soll 2025 den letzten Verbrenner auf den Markt bringen. Anfang der 2030er Jahre soll Mini ausschließlich vollelektrische Autos verkaufen.
Wir glauben, dass die neue Strategie ein weiterer Schritt in die richtige Richtung ist. Aber dass es erst 2025 so richtig mit reinen Elektro-Plattformen losgehen soll, erscheint im Vergleich zu anderen Premium-Wettbewerbern noch immer gefährlich spät. Das Ziel von 50 Prozent Verbrenner-Anteil in 2030 wird sicher in regelmäßigen Abständen nachjustiert werden mit entsprechenden Konsequenzen für die Produktions-Kapazitäten.
Und trotz des Fokusses auf Elektroautos halten die Münchener weiterhin am Mantra der “Technologieoffenheit” fest, obwohl der Branchentrend klar gedreht hat. Chef Zipse will „im nächsten Jahr eine Kleinserie des BMW i Hydrogen NEXT auf den Markt bringen. Wir könnten ihn uns auch als Serienfahrzeug vorstellen.“ Sich etwas vorstellen können, klingt nicht mehr so überzeugt, wie noch vor wenigen Monaten. Aber BMW wird weiterhin die begrenzten Entwicklungs-Ressourcen auch in Wasserstoff investieren. Und das ohne eigene LKW-Sparte, mit der man vielleicht noch Synergien realisieren könnte.
Volkswagen baut sechs Gigafactories für Batteriezellen – alleine in Europa
Volkswagen hat am VW Power Day in einer 2 stündigen Präsentation sehr konkrete Einblicke in die Elektro-Strategie für die nächsten zehn Jahre geboten. Insgesamt war es aber sehr beeindruckend, wie offen und konkret VW die Pläne bis hin zu technischen Details gezeigt hat. VW hat erkannt, dass man sich beim Thema Zellfertigung nicht von Zulieferern abhängig machen kann und will in Europa 6 Gigafactories bauen, teilweise mit Partnern, wie z.B. Northvolt in Schweden.
Der Standort Salzgitter soll in Eigenregie von VW übergehen. Die Jahreskapazität pro Werk soll bei 40 Gigawattstunden liegen. VW will die sauberste Batterie der Welt bauen und setzt auf Erneuerbare Energien und transparente nachhaltige Lieferketten. Nach dem zweiten Leben als stationäre Speicher sollen die Akkus fast komplett recycelt werden, um die Rohstoffe im Kreislauf zu halten. Die Pilotanlage läuft schon.
VW setzt ab 2023 in 80 Prozent des Volumens auf eine prismatische (also kastenförmige) Einheitszelle. Einheitszelle heißt: außen die gleiche Hülle und innen, je nach Anwendung und Entwicklungsstand die zum Auto passende Zellchemie. Die Zellen sollen dann nicht mehr wie bisher in Modulbauweise paketweise ins Fahrzeug integriert werden, sondern “cell to Car” oder “cell to Pack”. Beide Begriffe beschreiben das gleiche: Die Einheitszellen landen also ohne weitere bauliche Zusammenfassung in Modulen direkt im Auto. Das ist weniger komplex und spart weitere Kosten.
Im Bereich Kleinwagen sollen die Kosten schon bis 2023 im Vergleich zu heute auf die Hälfte sinken und es sollen Lithium-Eisenphosphat-Zellen zum Einsatz kommen. Die besonderen Herausforderungen von LFP-Zellen, zum Beispiel bei Kälte, haben wir jüngst in einem Video im Detail besprochen. In anderen Segmenten sollen die Kosten zunächst um 30% sinken. Hier setzt VW auf verschiedene Zellchemien:
Zum einen Nickel-Manganzellen, also ohne Kobalt. Und natürlich die aktuell verwendeten Nickel Mangan Kobalt Zellen. Nach 2025 will man mit Feststoffbatterien die Ladezeiten halbieren und durch ein geringeres Gewicht die Reichweite um 30% erhöhen. In Nordamerika, China und Europa will man mit Partnern die Schnellladenetze weiter ausbauen. In Europa soll der aktuelle Stand in den kommenden 4 Jahren verfünffacht werden – auf dann 18.000 Schnellladepunkte.
Elektroautos sollen als mobile Stromspeicher dienen und im Zuge der Energiewende die Stromnetze stabilisieren – und das nicht erst irgendwann… Was heute in Deutschland noch regulatorisch verboten ist, soll schon nächstes Jahr über VWs bidirektionale CCS-Wallbox Wirklichkeit werden. Die Volkswagen Aktie quittierte die Ankündigungen mit dem größten Kurssprung der letzten 12 Jahre. Im Dax überholte VW sogar SAP als wertvollstes Unternehmen in Deutschland.
Im Grunde war VWs Power Day eine Kopie von Teslas Battery Day, aber ganz sicher keine schlechte. Herbert Diess, weiß wo er hinschauen muss und er tut es auch.
Im Tagesgeschäft kämpft VW weiter mit Problemen bei den Fahrzeugen der neuen ID-Baureihen – mehr dazu im Video der nextnews:
nextnews #146 Themenübersicht:
00:00 Intro 00:36 Endlich Elektro Kombi 03:21 KIA EV6 gezeigt 04:18 VW Offensive 09:53 Glücksrad für Tesla-Käufer 17:21 Autopilot Glücksrad 20:09 BMW justiert Strategie nach 22:42 BMW i4 und iX 25:15 Erlkönigschau 26:14 Dacia Spring Preisschock 27:45 Faktencheck und Umfrage 29:04 Neues von nextmove