In unserem Youtube-Channel haben wir heute ein neues Video veröffentlicht: „22 Bugs beim VW ID.3“ zeigt detailliert, welche Software-Fehler die First Edition des Elektroauto-Hoffnungsträgers aus Wolfsburg zu bieten hat. Die Probleme reichen von sehr langer Ladezeit beim Start des Infotainment-Systems über Schwierigkeiten beim Laden des VW ID.3 bis hin zu einer doch recht eigenwilligen Sprachbedienung und einem Navigationssystem, das „vergisst“, dass die elektrische Energie in den Akkus nicht ausreicht, um in einem Rutsch von Leipzig nach München zu kommen.
Hier geht es zum Fehler-Report für den VW ID.3:
Die Vorgeschichte: Was davor geschah
Der Diesel sollte eigentlich VWs Lösung sein – für die immer strenger werdenden CO2-Emissions-Vorgaben, insbesondere ab 2020 in der EU. Doch 2015 wurde bekannt, dass VW über illegale Abschalteinrichtungen bei vielen Dieselmodellen einsetzte, und versuchte,, mit möglichst geringen Kosten möglichst sauber dazustehen. Auf dem Prüfstand gelang das – nicht jedoch in der Realität.
Daraufhin brachen die Diesel-Verkäufe weltweit ein – bei allen PKW-Herstellern. Aber mit Benziner- und Diesel-Fahrzeugen ohne Abschalteinrichtung sind die CO2-Flottengrenzwerte in der EU nicht einzuhalten.
2018 wurde Herbert Diess neuer Konzernchef und blies als Konsequenz zur Elektro-Offensive. VW entwickelte den neuen Modularen E-Antriebs Baukasten MEB. Viele Werke weltweit sollen zukünftig für die Produktion entsprechender Fahrzeuge umgerüstet werden: Den Anfang machte das Werk in Zwickau mit dem Anlauf der Produktion für den ID.3 im November 2019.
Die ersten VW ID.3 sollten dann im Sommer zu den Kunden, denn schließlich gilt es ja möglichst viele E-Autos in diesem Jahr zuzulassen, um die CO2-Flottengrenzwerte einzuhalten. In der Halbjahresbilanz lag VW noch 12 Prozent über der Vorgabe, dass würde saftige Strafen in Milliardenhöhe bedeuten.
Aber, die neue ID-Familie ist nicht irgendeine Fortführung einer Modell-Reihe, sondern komplett neu entwickelt. Und zwar nicht nur das Fahrzeug an sich, sondern insbesondere die Software. Sie kommt nicht mehr von den Zulieferern und wird zentral gesteuert, sondern alle Komponenten werden nun direkt integriert.
Doch das Thema Software war und ist offenbar für den weltweit größten Autokonzern eine ganz besondere Herausforderung. Was macht man, wenn das Auto in seiner Hardware eigentlich fertig, aber die Software noch nicht final entwickelt ist? Den Marktstart zu verschieben ging nicht, denn die Autos müssen 2020 in großer Stückzahl auf die Straße.
Die Lösung: Man produziert die Autos vor und stellt sie auf Halde. Und die Software entwickelt man parallel weiter und spielt sie später auf die Autos auf. Bei einem komplexen VW-typischen Konfigurator geht das natürlich nicht, denn Kunden können oft tausende Varianten eines Modells individuell konfigurieren.
Die Lösung für VW war eine First Edition mit 3 Linien und insgesamt nur ca 15 Ausstattungsvarianten, sozusagen Verkauf aus Regalfächern heraus. Das Pre-Booking für die First Edition begann im September 2019, also ein Jahr vor Auslieferung der ersten Autos.
So eine First Edition mit wenigen Varianten erleichtert natürlich auch den Produktionshochlauf mit vergleichsweise hohen Stückzahlen und ist in der Branche üblich. Auch Tesla startete ja beim Model 3 in den USA in den ersten Monaten nur mit einer Variante.
Schon im Dezember 2019 gab es Medienberichte, dass die Software des ID.3 eine besondere Herausforderung darstellt und der Marktstart in Gefahr sei. Im Frühjahr wurde gemunkelt, dass einige Funktionen, wie das Augmented Reality Head-Up-Display die Prozessoren überfordert. VW dementierte lange, zumeist aber nur relativ wortkarg ohne ins Detail zu gehen.
Am 10. Juni wird der First Mover Club gegründet
Aber am 10. Juni lässt man schließlich mit einer Pressemeldung die Katze aus dem Sack und geht beim Thema Software in die Offensive: VW gründete den sogenannten First Mover Club und Start der Auslieferungen am dem 11. September.
„Mit der Öffnung dieser Community bietet Volkswagen einen Erfahrungsaustausch unter allen ID 1st-Movern und auch einen direkten Draht zu Volkswagen. Zum einen wird so direkt auf Kundenfragen eingegangen, zum anderen werden die gesammelten Alltagserfahrungen und Hinweise der ID.3 Erstfahrer für die Weiterentwicklung genutzt.“
Kommuniziert wurde ebenfalls der Lastabwurf von zwei Digitalfunktionen zum Marktstart, nämlich App Connect sowie der Fernbereich des Head-up-Displays“. Diese Funktionen will man mit einem Softwareupdate zu Beginn 2021 nachliefern.
Und weiter: „Als Dankeschön fahren alle 1st Mover im Leasing die ersten drei Monate lang ratenfrei“, so Jürgen Stackmann. Barzahler bekommen übrigens die Winterräder gratis.
Wir fassen zusammen: VW schenkt dem Kunden knapp 1000 Euro für zwei fehlende Funktionen und einen zusätzlichen Werkstattbesuch? Hmmm? Wer 1 + 1 zusammenzählen kann, weiß: da steckt mehr dahinter dahinter.
Geschlossene Facebook-Community für First Mover
Der Austausch zwischen VW und den Kunden im First Movers Club findet nicht auf einer VW-Seite, sondern über Facebook statt.
Den erforderlichen Zugangscode zur geschlossenen Facebook-Gruppe bekommen die Kunden vom Händler. Die Gruppensprache ist Englisch, aber die Beiträge werden von Nutzern in vielen Sprachen verfasst. Aktuell hat die Gruppe knapp 2.500 Mitglieder.
Aktuell haben aber viele Kunden ihre Autos noch gar nicht bekommen und obwohl zahlreiche Fehlermeldungen gepostet werden, sind die Leute offenbar heiß auf ihre Autos und beim Thema Lieferverzögerung wird der Ton gerne mal etwas rauer als bei Fehlern. Und das zurecht. In der Zusatzvereinbarung zur Clubmitgliedschaft hieß es: „Zirka 3 Monate vor der breiten Markteinführung können Sie schon im September Ihren ID.3 mit nach Hause nehmen“
Diese Zusage wurde bei vielen Kunden nicht erfüllt.
Guter Austausch in der Gruppe
Der Austausch in der Gruppe läuft aber insgesamt für VW sehr gut. Die Zahl der Mitleser ist beschränkt, und VW hat als Admin natürlich volle Kontrolle. Nutzer geben sich zudem gegenseitig Hilfestellung bei Problemen. Zensur habe ich bisher nicht gesehen, sogar Übergabechecklisten werden von Mitgliedern zum Download gepostet.
Welcher andere große Hersteller legt schon online der eigenen Kundschaft den kompletten Posteingang an Fehlermeldungen und Beschwerden offen? Außerdem reagiert VW bei häufigen Problemen, zum Beispiel mit einem FAQ die viele Hilfestellungen bei Bugs listet oder einem Erklärvideo zur Einrichtung der App.